Der Weg zum Value Investing: mein persönliches Aha-Erlebnis und was es mit mir gemacht hat
Darf ich mich vorstellen? Ich bin Andy, 32 Jahre alt, von Beruf promovierter Ingenieur und wohne in der Nähe von Köln. Ich komme ursprünglich aus einer einfachen Familie. Meine Eltern sind ganz normale Arbeiter mit ziemlich durchschnittlichen Jobs. Als ich noch klein war, habe ich zugesehen, wie sie hart gearbeitet und sparsam gelebt haben. Das, was am Ende des Monats übrig blieb, haben meine Eltern gespart und aufs Sparbuch gelegt.
Wie in so ziemlich vielen Familien, wurde auch bei uns nie über Geld geredet. "Über Geld spricht man nicht", heißt es ja bekanntlich. Daher ist es auch kein Wunder, dass ich als Kind weder zuhause, noch in der Schule gelernt habe, mein Geld zu investieren. Immerhin haben mir meine Eltern beigebracht, mein Geld regelmäßig zu sparen und aufs Sparbuch zu legen. Dort sei es sicher und bringe Zinsen, meinten sie. Ziemlich falsch, wie sich herausstellte. Denn sowohl damals als auch heute, waren die Zinsen geringer als die Inflationsrate, und obwohl das Geld zwar "mehr"
wurde, verlor es an Kaufkraft und man konnte sich davon immer weniger leisten [1,2].
Als mir klar wurde, dass Sparen an sich zwar richtig sei, aber ich davon niemals reich werden könnte, war ich etwa 18 Jahre alt und stand kurz vorm Abi. Ich war also bereit, in die große weite Arbeitswelt hinaus zu gehen und wusste, dass ich es in meinem Leben besser machen möchte als meine Eltern. Ich wollte nicht bloß für
mein Geld arbeiten und es sparen, ich wollte mit
meinem Geld arbeiten und es sinnvoll investieren. Also nutzte ich die nächste Zeit während meines Zivildienstes und habe viele verschiedene Bücher und Blogs zu dem Thema Geldanlage gelesen. Ich habe mir sogar eine namhafte Zeitung abonniert und täglich den Finanzteil studiert. Ich habe weder Kosten noch Mühen gescheut und mir mühselig Wissen über Finanzen aufgebaut. Ich hatte einen Nachteil, denn ich hatte niemanden, der es mir systematisch beibringen konnte. Doch meine Motivation war ungebrochen, denn ich wusste, wenn ich es nicht schaffe zu lernen, richtig zu investieren, werde ich es mein ganzes Leben lang bereuen.
Nachdem ich mir also ein Grundwissen aufgebaut habe, ging ich weiter ins Detail und habe mich spezialisiert: Aktien. Denn von allen Anlageformen, haben mich Aktien von Beginn an am meisten fasziniert. Die Idee, selbst mit kleinen Beträgen in große Unternehmen investieren zu können und somit Teilhaber an ihrem Erfolg zu werden, war reizvoll. Sie hat mich von Anfang an gepackt und hält noch bis heute an.
Die ersten eigenen Schritte
Im Jahr 2007 brach in den USA die Finanzkrise aus und erreichte im Herbst 2008 ihren Höhepunkt, als die US-Bank Lehman Brothers, damals wohlgemerkt eine der größten Banken der Welt, pleite ging [3]. Auf die Finanzkrise folgte in den nächsten Jahren die Staatschuldenkrise, in der nicht nur Banken, sondern ganze Länder zahlungsunfähig wurden oder von anderen Staaten finanziell gestützt werden mussten, wie etwa Irland oder Griechenland im Jahr 2010 [4,5]. Während dieser Zeit lagen die Börsenkurse weltweit total am Boden. So is der deutsche Aktienindex DAX im Zeitraum von Anfang 2008 bis Mitte 2009 von 8000 Punkten um mehr als 53% auf etwa 3700 Punkte gefallen [6].
Als die Finanzkrise in vollem Gange war, habe ich gerade den Zivildienst abgeschlossen und frisch angefangen zu studieren. Um das Studium zu finanzieren, habe ich viel nebenher jobben müssen. Während dieser Zeit befolgte ich, was meine Eltern mir als Kind beigebracht haben, und sparte regelmäßig, auch wenn es nur kleine Beträge waren. Doch anders als früher, habe ich dieses Mal
das Geld nicht aufs Sparbuch gelegt, sondern direkt in Aktien investiert. Ich nutzte die Gunst der Stunde und kaufte in der Krise sehr günstig Anteile an starken Unternehmen. Da ich jedoch noch unerfahren war und kein ausgearbeitetes System hatte um die Unternehmen zu bewerten, kaufte ich das, was ich mit meiner naiven und oberflächlichen Meinung als sinnvoll angesehen habe.
Nicht immer ging das gut. So waren auch einige Aktien dabei, bei denen ich viel Geld verloren habe. RWE beispielsweise. Damals ein solider Stromkonzern mit verlässlichen Dividenden, doch dann kam die Fukushima-Katastrophe und der kurz darauf beschlossene Atomausstieg änderte alles. Oder etwa die Commerzbank. Einst eine stabile Großbank, die jedoch von dem Zusammenbruch des Finanzsystems hart getroffen wurde und anschließend vom deutschen Staat gerettet werden musste [7]. Eine Krise ändert eben einiges. Gestern noch stabile Geschäftsmodelle können über Nacht zum Risiko werden.
In meinem Depot waren aber genug andere Unternehmen, bei denen es deutlich besser lief, sodass ich unterm Strich ordentliche Renditen erreiche. Seit mehr als zehn Jahren beschäftige ich mich nun intensiv mit Aktien und investiere weiterhin regelmäßig. In dieser Zeit habe ich nach Kosten und Steuern im Durchschnitt 19,4% Rendite auf meine Investments erzielt. Und das obwohl - oder gerade weil
- einige Investitionen dabei waren, bei denen ich typische Fehler gemacht habe. Welche das waren, verrate ich im nächsten Blogbeitrag. Heute bin ich allerdings froh, diese Fehler gemacht und aus ihnen gelernt zu haben.
Der finanzielle Urknall
Mein großes Aha-Erlebnis kam jedoch erst einige Jahre später. Nachdem die Finanzkrise verdaut war und ich bei der Auswahl von Unternehmen routinierter wurde, habe ich rückblickend analysiert, mit welchen Aktien ich über einen längeren Zeitraum tatsächlich die größten Gewinne erwirtschaftet habe. Das Ergebnis sollte mich umhauen: Denn obwohl ich auch in bekannte "Börsenstars", wie etwa Apple oder Tesla investiert hatte, zeigte meine Analyse, dass der Großteil meiner Gewinne eben nicht von diesen Stars, sondern vielmehr von klassischen, unauffälligen und fast schon langweiligen
Unternehmen kam. Unternehmen wie beispielsweise der Allianz, Microsoft oder der Münchener Rück. Diese Unternehmen waren es, die mir über Jahre kontinuierliche und verlässliche Kursgewinne und Dividenden brachten. Überraschenderweise mehr noch als die zuvor erwähnten Stars, von denen die meisten langfristig nicht so erfolgreich waren wie Apple oder Tesla.
Was machte also diese "Langweiler"
so interessant? Warum waren diese alten, verstaubten und eingesessenen Unternehmen erfolgreicher als junge, moderne Firmen mit neuen Technologien und Geschäftsmodellen? Um erfolgreicher investieren zu können, war mir klar, dass ich diese Fragen beantworten muss. Also habe ich nach Gemeinsamkeiten gesucht. Was verbindet beispielsweise Allianz, Inditex, Microsoft und Coca-Cola? Das Ergebnis war verblüffend einfach: Alle diese Unternehmen existieren seit vielen Jahren und haben ein stabiles und enorm widerstandsfähiges Geschäftsmodell. Ihre Produkte tragen bekannte und sehr starke Marken, für die Kunden gerne bereit sind, mehr Geld auszugeben. Die Margen sind entsprechend hoch. Dadurch entsteht ein klarer Vorteil gegenüber bestehenden oder neuen Wettbewerbern. Die Unternehmen sind zudem in mehreren Ländern aktiv und haben durch ihre Größe oder gezielte Fokussierung eine sehr dominante Marktstellung. Der Erfolg spiegelt sich auch in der Bilanz wider: Sie haben nur sehr wenige oder sogar gar keine Schulden.Diese Erkenntnis bezeichne ich rückblickend als meinen finanziellen Urknall. Denn von nun an sollte sich meine Art und Weise der Unternehmensbewertung grundsätzlich ändern: Ich war so erstaunt, wie simpel die Erfolgsfaktoren sind, dass ich nicht aufhören konnte, mich mit diesem Thema zu beschäftigen. Bei meiner weiteren Recherche bin ich auf das Prinzip des Value Investing gestoßen, das genau die genannten Punkte beinhaltet. Obwohl das Value Investing bei uns in Deutschland wenig verbreitet ist, findet es in den USA eine große Beachtung. Ohne Zweifel liegt das an den beiden berühmten Investoren Charlie Munger und Warren Buffett, die mit ihrer Firma Berkshire Hathaway seit über 50 Jahren
extrem erfolgreich in substanzstarke Unternehmen investieren und im Durchschnitt Renditen
von über 20%
erzielen
– pro Jahr, wohlgemerkt [8].
Nachdem ich mich intensiv mit dem Value Investing beschäftigt und es verstanden habe, kamen für mich andere Arten des Investierens nicht mehr in Frage. Je mehr ich mich mit der zugrunde liegenden Philosophie befasste, desto stärker war ich von der Richtigkeit und der Effektivität dieser Strategie überzeugt. Das Value Investing bietet seine wahren Vorteile vor allem langfristig orientierte Investoren und führt durch den Zinseszinseffekt zum exponentiellen Wachstum. Kostenseitig sind die Argumente ebenso eindeutig: Es ist günstiger als jeder passive Indexfonds ETF.
Doch am meisten überzeugt hat mich die Einfachheit der Value Investing Philosophie. Nämlich solide und substanzstarke Unternehmen zu identifizieren und deren Anteile zu kaufen. Was danach folgt ist: Nichts.
Kein tägliches checken der Aktienkurse, keine teuren Verkäufe oder Umschichtungen, wenn der Kurs gestiegen oder gefallen ist. Und vor allem keine Panik, wenn die Börse kracht. Einfach das Unternehmen für sich arbeiten lassen. Jahrzehntelang.
Meine Philosophie von heute
In mehr als 10 Jahren, in denen ich nun aktiv in Aktien investiere, konnte ich viel wertvolle Erfahrung sammeln. Doch vor allem konnte ich aus meine Fehlern lernen und dadurch meine Anlagestrategie immer weiter verbessern. Heute halte ich es "genial einfach"
und befolge drei simple Regeln. Erstens:
Ich investiere mein Geld nur in das, was ich verstehe. Zweitens:
Ich kaufe mir Anteile an Unternehmen, und nicht bloß deren Aktien. Das ist ein extrem wichtiges Detail in meinem Mindset. Drittens:
Solange ich von dem Geschäftsmodell überzeugt bin und es intakt ist, halte ich meine Beteiligung ewig und denke nicht daran zu verkaufen. Dividendenzahlungen investiere ich in neue Beteiligungen. Die täglichen Kursschwankungen haben für mich keine Bedeutung. Der Aktienkurs sagt nichts über den Wert der Aktie aus, daher lese ich viel lieber die Geschäftsberichte, anstatt die Charts von Aktienkursen. Im Gegenteil: Kracht es an der Börse, freue ich mich günstig zukaufen zu können und baue meine Anteile aus. Sind die Kurse zu hoch, spare ich mein Geld und halte es bereit für die nächste große Kaufgelegenheit.
moneyIng. – was Dich erwartet
In meinem Freundeskreis bekomme ich immer wieder mit, dass viele junge Menschen gerne ihr Geld investieren möchten, aber wenig Kenntnisse über Aktien haben und schlicht weg nicht wissen, wie sie anfangen sollen. Daher habe ich mich entschlossen, meine Erfahrungen der letzten Jahre zu teilen und das Projekt moneyIng. ins Leben gerufen. Der Name moneyIng. setzt sich zusammen aus money
für Geld
und Ing.
als Abkürzung für meinen Beruf Ingenieur. Zusammen ergeben beide Teile außerdem das Kunstwort moneying, also das englische Verb zu money
und symbolisieren damit die aktive Form des Geldverdienens.
Auf moneyIng. werde ich erklären, wie ich Geld anlege und wie ich bei der Auswahl von Unternehmen vorgehe. Konzentrieren möchte ich mich auf die Value Investing Strategie, die meiner Meinung nach die beste Anlageform darstellt. Warum das so ist, werde ich Dir im nächsten Beitrag erklären und mit Zahlen belegen. Ich werde von meinen positiven, aber auch negativen Erfahrungen berichten und Dir offen, transparent und ehrlich aufzeigen, welche Fehler ich gemacht habe. Außerdem werde ich meine Unternehmensbewertungen veröffentlichen, sodass Du nachvollziehen kannst, warum ich mich für, oder eben gegen, ein bestimmtes Investment entschieden habe. Ich teile sowohl die qualitativen, also weichen Faktoren, bei der Unternehmensbewertung wie beispielsweise die Güte des Geschäftsmodells, aber auch quantitative, harte Kennzahlen, wie Margen, Renditen oder Verschuldungsgrade, mit denen verschiedene Unternehmen miteinander verglichen werden können. Außerdem werde ich in den weiteren Folgen explizite Beispiele für Value Unternehmen geben, von deren Investitionswürdigkeit ich überzeugt bin.
Ganz wichtig ist mir dabei, dass ich für Dich unabhängig bleibe. moneyIng. ist mein privates Hobby und stellt keine Anlageberatung dar. Deswegen kooperiere ich nicht mit Banken oder Fonds und mache keine Werbung für deren Produkte. Ich erhalte auch keinerlei Provisionen oder sonstige Vergütungen. Alles, was ich in meinen Texten erwähne, benutze ich auch selbst und bin von dem Mehrwert überzeugt. Im Bereich Glossar
lege ich für alle Beiträge die verwendeten Quellen offen und teile Dir außerdem mit, in welche Unternehmen ich investiert habe, um Interessenkonflikte zu vermeiden. Authentizität und Ehrlichkeit haben ganz klar oberste Priorität bei moneyIng.