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01: Typische Fehler

Andy • 12. Juli 2020
Anfängerfehler: Die vier häufigsten Fehler bei der Geldanlage und ein Grund, sie möglichst früh zu machen

Wie auch im übrigen Leben, kann man an der Börse einiges falsch machen. Insbesondere Anfänger neigen daher bei der Investition ihres Geldes zu typischen Fehlern. Ich selbst war davon natürlich nicht ausgenommen und hatte in den letzten 10 Jahren, in denen ich aktiv investiere, einige Fehler gemacht. Wie bereits in der Vorstellungsrunde geschrieben, ist ein besonderes Anliegen im moneyIng. Blog, meine persönlichen Fehler und Erfahrungen mit Dir zu teilen. Ich hoffe Dich dadurch sensibilisieren zu können und Dir vor allem in der ersten Zeit an der Börse Hilfestellung geben zu können.

Home Bias

Der englische Begriff Bias wird häufig in statistischen oder wissenschaftlichen Untersuchungen verwendet und beschreibt eine Verzerrung oder Unverhältnismäßigkeit [1]. Bei der Geldanlage hat sich der Ausdruck „Home Bias“ etabliert. Er beschreibt den wahrscheinlich wichtigsten Fehler bei der Geldanlage: Nämlich eine starke Fokussierung auf den jeweiligen Heimatmarkt mit überproportionalen Investitionen in heimische Unternehmen [2]. Am einfachsten lässt sich das an einem Beispiel erklären: Misst man deutsche Unternehmen an ihrem Börsenwert, kommen sie auf einen Anteil von gerade mal 2,4% des Börsenwertes aller Unternehmen weltweit [2]. Um diesen Anteil gleichmäßig und ohne Verzerrungen abzubilden, müsste also der Anteil deutscher Unternehmen im Depot ebenfalls ca. 2,4% betragen. Tut er aber nicht. Stattdessen liegen in deutschen Depots ca. 60 bis 70% Aktien heimischer Unternehmen [2].

Zwar haben wir Deutschen schlechthin den Ruf als Aktienmuffel, doch hinsichtlich des Home Bias stehen wir nicht alleine dar. Vielmehr handelt es sich um ein generelles Problem: Vanguard, einer der größten Vermögensverwalter der Welt, hat in einer Studie das typische Anlageverhalten von Investoren untersucht und festgestellt, dass Home Bias auch in anderen Ländern wie USA, Großbritannien oder Japan auftritt [3]. So bilden zwar US-amerikanische Unternehmen mit ca. 51% bereits den größten Teil des Börsenwertes aller Unternehmen, in den Depots amerikanischer Investoren machen sie jedoch stolze 79% aus [3]. Bei den Australiern ist diese Diskrepanz noch größer: Australische Unternehmen haben einen Anteil von nur ca. 2,4% am weltweiten Börsenwert, bilden aber rund 66% der Depots australischer Investoren [3].


Die Gründe für das Home Bias sind vielfältig und teilweise berechtigt: Zu einen sind den Investoren die heimischen Unternehmen besser vertraut, da sie täglich ihre Produkte benutzen. Wer bevorzugt BMW fährt und Lufthansa fliegt, kennt die Unternehmen und neigt eher dazu, deren Aktien zu kaufen. Ein weiterer Grund stellt die geringe Sprachbarriere dar, wodurch es einfacher fällt, Informationen über das Unternehmen aus Zeitung und Internet zu beschaffen. Auch die Geschäftsberichte und Bilanzierungsarten sind bei heimischen Unternehmen vertraut. Zudem entfällt das Wechselkursrisiko, weil heimische Unternehmen meistens in Heimatwährung bilanzieren.

Einen durchaus berechtigten Grund für das Home Bias bildet hingegen die Steuer. So werden in Deutschland einige ausländische Unternehmen benachteiligt, indem auf ihre Dividendenzahlungen neben der deutschen Steuer zusätzlich noch eine sogenannte ausländische Quellensteuer erhoben wird. Am Beispiel Schweiz sind es derzeit bis zu 35% [4]. Diese zusätzlich einbehaltene Steuer kann zwar teilweise auf die deutsche Steuer angerechnet werden oder auf Antrag von dem jeweiligen Land erstattet werden, de facto lohnt es sich für Privatinvestoren jedoch selten, da die Erstattung der Quellensteuer mit Aufwand und Kosten verbunden ist, die die Erstattung übersteigen können.

Um bei Investitionen in ausländische Aktien nicht negativ überrascht zu werden, ist es also sinnvoll, die eventuell anfallende Quellensteuer im Vorfeld schon zu berücksichtigten. Hierfür erstellt das Bundeszentralamt für Steuern eine Übersicht der aktuellen ausländischen Quellensteuern [4]. Teilweise ist mithilfe der Bank und einer Bescheinigung des Finanzamtes sogar eine Befreiung oder Reduktion der Steuer möglich.

Trotz möglicher Quellensteuer oder Sprachbarrieren ist es dennoch sinnvoll, bei der eigenen Geldanlage über die Ländergrenzen zu gehen. Dadurch erweitert sich die Auswahl der Unternehmen, in die investiert werden kann, immens und es können diejenigen gefunden werden, die die höchsten Renditen ermöglichen. Des Weiteren sinkt durch länderübergreifende Investitionen die Abhängigkeit von einer bestimmten Region, wodurch das Risiko von lokalen Wirtschaftseinbrüchen sinkt. Viele etablierte und bilanziell starke Unternehmen sitzen zudem zwar im  Ausland, deren Aktien können aber, meistens sogar ohne zusätzliche Kosten, bequem an den deutschen Börsen gehandelt und in inländischen Depots verwahrt werden.

Know risk, know fun

Anfänger neigen dazu, die Risiken einiger Aktien erheblich zu unterschätzen. Dies wird bestärkt durch die Berichterstattung in verschiedenen Börsenzeitungen, Newslettern oder Gruppen bei Facebook und anderen Sozialen Medien. Kurzum: Unerfahrenen Investoren fällt es extrem schwer einzuschätzen, wie risikoreich eine bestimmte Aktie ist. Daher ist es ein typischer Anfängerfehler, den auch ich mal gemacht habe, in sogenannte Trend-Aktien zu investieren, ohne deren Geschäftsmodell oder Ertragsaussichten zu verstehen und bewerten zu können. Bei mir waren es damals das Mode-Unternehmen Tom Tailor und der Online-Reifenhändler Delticom. Beide Unternehmen waren kurzzeitig extrem gehyped und hatten steigende Gewinne, sodass viele "Investoren" sich deren Aktien gekauft haben. Mehrere Monate lang kannte der Kurs nur eine Richtung: Nach oben. Und so war auch ich damals stolz wie King Lui, mit diesen unbekannten Aktien dicke Gewinne zu machen. Um noch mehr Geld zu verdienen, kaufte ich sogar noch weiter nach. Naja, wer hätte es gedacht, irgendwann hat der Hype nachgelassen und die Realität zugeschlagen: Bei Tom Tailor hat sich gezeigt, dass die Modebranche ein hart umkämpftes Pflaster ist und Größe entscheidet. Und Delticom wurde vom Wettbewerb überrollt, weil auch andere Onlineshops Reifen anbieten können. Beide Aktienkurse sind in den nächsten Jahren stark gefallen. Ich hatte mir übel die Finger verbrannt und mir versprochen, so einen Fehler nicht nochmal zu machen.

Auch heutzutage gibt es viele stark gehypte Trend-Aktien. Ob beispielsweise im Bereich Mobilität mit Wasserstoff, Elektro oder Fahrerlosem Fahren, im Bereich Finanzen mit FinTech-Unternehmen oder Robo-Advisor, oder - ein derzeit ganz heißes Thema - im Gesundheitswesen mit neuen Impfstoffen gegen Corona. Aktien dieser Unternehmen steigen derzeit extrem stark und viele Unerfahrene und Einsteiger kaufen mehr oder weniger blind.

Einige wenige dieser Unternehmen werden wahrscheinlich erfolgreich und langfristig profitabel. Es kann aber nicht abgeschätzt werden, welche es sein werden. Daher halte ich den Kauf solcher Aktien für extrem spekulativ und mehr Glücksspiel als Investment. Ich rate Investoren grundsätzlich, die Finger von allem zu lassen, was sie nicht verstehen. Insbesondere Einsteiger sollten daher nicht nach den Kursraketen von morgen Ausschau halten und versuchen, den Markt zu schlagen, sondern in den ersten Jahren in konservative, substanzstarke Unternehmen mit einem verständlichen Geschäftsmodell investieren. Mit zunehmender Erfahrung kann es später sinnvoll sein, einen sehr kleinen Teil seines Geldes in spekulative Anlagen zu stecken, aber man sollte sich des Risikos bewusst sein alles verlieren zu können. Die Gefahr, sich zu Beginn seiner Karriere als Investor an spekulativen Aktien die Finger zu verbrennen und sich anschließend komplett von der Börse zu verabschieden, ist enorm.

Erst Preis, dann Wert

Ein stark verbreitetes und für Investoren sehr gefährliches Fehlverhalten liegt darin, den Wert einer Aktie über ihren Preis zu definieren. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass die Versuchung groß ist, Aktien zu kaufen, weil der Kurs gerade gefallen ist und das Unternehmen „unterbewertet“ aussieht. Schnell entsteht dann die Neigung, die Ursachen, die zum Kurssturz geführt haben, klein zu reden oder gar auszublenden. Stattdessen wird auf den Preis der Aktie geschaut und die Meinung vertreten, der Kurs würde schon irgendwann wieder steigen. Kurzum: Das Risiko der Investition wird dabei unterschätzt und der Preis der Aktie überschätzt. Das ist ein fataler Fehler, gegen den selbst ich als erfahrener Investor ständig ankämpfen muss. Gier schaltet das rationale Denken aus. 

Man sollte niemals den Wert einer Aktie mit ihrem Preis vertauschen. Den Preis von Aktien kann jedes Kind im Internet einsehen, aber den Wert der Aktie zu bestimmen ist ungleich schwieriger. Hierfür ist es notwendig sich mit Geschäftsmodell, Bilanz und zukünftigen Ertragsaussichten des Unternehmens zu beschäftigen. Erst anschließend, wenn die Informationen gesammelt und ausgewertet wurden, kann der angemessene Preis der Aktie bestimmt werden, der den wahren Wert widerspielt. Niemals umgekehrt.

Eine „Anlagestrategie“ nennt sich „buy the dip“ und besagt, dass Aktien gekauft werden sollen, wenn der Kurs gefallen ist [5]. Absoluter Schwachsinn, wie ich finde. Denn eine Aktie zu kaufen, bloß weil der Kurs gefallen ist, ist genauso dumm, wie eine Aktie zu verkaufen, bloß weil der Kurs gestiegen ist. Sinnvoller ist es, zu prüfen wieso der Kurs gefallen ist und zu verstehen, wie diese Ursache das Unternehmen oder seine Aussichten für die Zukunft beinträchtigen. Erst wenn deutlich wird, dass die Beeinträchtigung temporär und verkraftbar ist, dann sollte der Preis mit dem neuen Wert der Aktie abgeglichen werden. Erst dann – und nur dann – kann eine Entscheidung zur Investition getroffen werden.


Anhand Deutschlands größter Fluggesellschaft Lufthansa möchte ich hierzu ein aktuelles Beispiel geben. Der Aktienkurs von Lufthansa ist seit Ausbruch des Corona-Virus Ende Februar 2020 von ca. 15,20€ um mehr als 52% auf etwa 7,20€ gefallen [6]. Naive „buy the dip“ Investoren könnten nun ihre Chance wittern und investieren. Natürlich kann es sein, dass sich der Kurs wieder erholt und die Lufthansa die Krise überstehen wird. Ich möchte es dem Unternehmen und allen seinen Mitarbeitern ausdrücklich wünschen. Allerdings verändert der Corona-Ausbruch das Geschäftsmodell fundamental: Die Anzahl von Geschäfts- aber auch Privatflügen wird während der Corona-Zeit, aber vielleicht auch danach, deutlich sinken. Lufthansa wird starke Umsatzeinbrüche hinnehmen und Personal abbauen müssen. Die Entlassungen werden Abfindungen und damit höhere Schulden zur Folge haben. Einiges davon tritt bereits ein: Der Staat ist neulich eingesprungen und erhält über eine Kapitalerhöhung 20% neue Aktien, wodurch der Anteil bisheriger Aktionäre verwässert wird [7]. Weiterhin stellt der Staat 8,7 Milliarden als Einlagen und Kredite zur Verfügung [7]. Diese Kredite müssen von der Lufthansa verzinst und getilgt werden, was für Investoren wiederum bedeutet, dass zukünftige Gewinne belastet und nicht als Dividende an die Aktionäre ausgezahlt werden können. Wer alle diese Faktoren berücksichtigt, wird feststellen, dass nicht nur der Preis, sondern auch der Wert der Aktie seit März massiv gesunken ist.

Dividendenrendite und KGV

Zur quantitativen Bewertung von Unternehmen werden Kennzahlen verwendet. Besonders verbreitet sind vor allem die Dividendenrendite, also die Höhe der jährlichen Dividende in Relation zum Aktienkurs [8], oder das KGV. KGV steht für Kurs-Gewinn-Verhältnis und beschreibt, das Verhältnis vom aktuellen Aktienkurs zum Gewinn des Unternehmens [9]. Das KGV gibt also wider, wie viele Jahresgewinne ein Investor zahlen muss, um das Unternehmen zu kaufen. Je geringer also das KGV und je höher die Dividendenrendite, desto günstiger scheint das Unternehmen bewertet.

Obwohl es grundsätzlich eine gute Idee ist, harte Kennzahlen zu verwenden um den Wert eines Unternehmens zu berechnen, machen unerfahrene Investoren dabei häufig drei Fehler. Erstens: Sie betrachten die jeweiligen Kennzahlen isoliert und setzen sie nicht in den Gesamtkontext des Unternehmens. Zweitens: Sie vergleichen die Kennzahlen über Branchen hinweg. Und drittens: Sie messen insbesondere dem KGV und der Dividendenrendite eine viel zu hohe Bedeutung zu.

Würdest Du ein Auto kaufen, allein wegen der Tatsache, dass es große Alufelgen hat? Natürlich nicht. Du würdest außerdem auch prüfen, ob der Motor in Ordnung ist und sich das Auto gut fahren lässt. Und dann verhandelst Du über den fairen Preis. Bei der Bewertung von Aktien gilt genau das gleiche. Keine Kennzahl sollte isoliert und für sich betrachtet werden, sondern es gilt immer, mehrere verschiedene Kennzahlen zu einem Gesamtbild zusammen zu fügen und mit dem Geschäftsmodell des Unternehmens abzugleichen. Wenn ein Unternehmen beispielsweise eine besonders hohe Dividendenrendite aufweist, solltest Du misstrauisch werden und Dich zunächst einmal fragen, wieso das so ist. Neben der absoluten Höhe der Dividende sollte geprüft werden, wie nachhaltig die Dividende ist, also durch entsprechende Gewinne unterlegt. Dies kann durch die Ausschüttungsquote, also das Verhältnis aus Dividende zum Unternehmensgewinn, berechnet werden [10].

Unternehmen, die nicht 100% ihres Gewinnes an Ihre Aktionäre ausschütten, sondern einen Teil des Gewinnes im Unternehmen belassen, haben tendenziell höhere finanzielle Spielräume. Sie können leichter ihre Schulden tilgen, Geld in neue Geschäftsfelder investieren oder Wettbewerber übernehmen und wachsen. Die steigenden Gewinne führen dazu, dass der Wert und damit der Aktienkurs des Unternehmens steigt. Wenn aber Gewinne das Unternehmen als Dividende verlassen, muss sich das Unternehmen für jede neue Investition stärker verschulden, wodurch es anfälliger für finanzielle Rückschläge und damit riskanter wird.


Besonders heikel ist die Lage, wenn Unternehmen sich in der Pflicht sehen, Dividenden zu zahlen, obwohl es die Geschäftslage eigentlich nicht zulässt. Als aktuelles Beispiel möchte ich den britischen Ölkonzern BP nehmen: Infolge des Preisverfalls von Öl ist der Gewinn von BP in 2020 stark eingebrochen, es wurde sogar ein Verlust erzielt [11]. Dennoch hat sich BP entschlossen seinen Aktionären eine unveränderte Dividende zu zahlen [12]. Dadurch fließt jedoch dringend benötigtes Kapital aus dem Unternehmen ab. Obwohl BP ohnehin schon riesige Schulden hat, müssen die Dividendenzahlungen durch neue, noch höhere Schulden kompensiert werden. In der Zeit, in der BP beschlossen hat, trotz Verlust eine Dividende zu zahlen, betrug die Dividendenrendite über 15% [13]. Diese ungesunde Dividendenpolitik spiegelt sich, neben anderen Faktoren, im fallenden Aktienkurs wider [13].


Andere Kennzahlen, wie beispielsweise das KGV, sollten ebenfalls nicht isoliert bewertet werden. Hat ein Unternehmen ein besonders niedriges KGV, kann es daran liegen, weil entweder der Gewinn des Vorjahres entsprechend hoch war oder aber weil der Kurs entsprechend gefallen ist. Beides sollte kritisch geprüft werden. So kann es sein, dass im Vorjahr Unternehmensteile verkauft wurden und ein Sondergewinn angefallen ist. Oder aber, dass sich die zukünftigen Aussichten für das Unternehmen dramatisch verschlechtert haben und der Aktienkurs deswegen „über Nacht“ eingebrochen ist. In beiden Fällen ergibt sich ein optisch günstiges KGV, was jedoch nur eine verzerrte Abbildung des Unternehmenswertes entspricht.

Ein häufig gemachter Fehler ist es weiterhin, Kennzahlen von Unternehmen aus verschiedenen Branchen mit einander zu vergleichen. Dieser bekannte „Äpfel mit Birnen“ Vergleich ist an der Börse jedoch fatal. Denn für jede Branche ergeben sich ganz individuelle Einschätzungen, was die zukünftige Entwicklung der Gewinne, deren jährliche Schwankung, die Wettbewerbsposition oder etwa den benötigten Kapitalbedarf angeht. Das alles fließt in den Wert des Unternehmens ein und spiegelt sich letztlich im KGV wider. Branchen, die zukünftig nur wenig wachsen werden, haben tendenziell ein geringeres KGV als Branchen mit großen zukünftigen Perspektiven. Ebenso verhält es sich mit Branchen, die übermäßig viel Kapital binden und daher tendenziell hohe Schulden haben, wie beispielsweise die Energie- oder Telekombrache.

Ich stelle außerdem immer wieder fest, dass Investoren die Bedeutung der beiden Kennzahlen Dividendenrendite und KGV bei ihrer Bewertung des Unternehmens grundsätzlich überschätzen. Ohne Zweifel sind es wichtige Indikatoren, doch die Bewertung des Geschäftsmodells und Positionierung des Unternehmens sollte Vorrang haben. Wenn beispielsweise ein Unternehmen zwar gar keine Dividende zahlt, dafür aber die erwirtschafteten Gewinne kontinuierlich neu investiert um dadurch im nächsten Jahr noch höhere Gewinne zu erzielen, sehen die Werte für KGV und Dividendenrendite zunächst schlecht aus. Wenn sich allerdings infolge des kontinuierlichen Wachstums nach wenigen Jahren der Gewinn verdoppelt oder verdreifacht hat, erreicht das KGV, bezogen auf den ursprünglichen Kurs zu dem langfristig orientierte Investoren Anteile gekauft haben, sehr niedrige Werte. Da bei einem Gewinnwachstum in der Regel auch der Kurs der Aktie steigt, kann der Investor also durch reinvestierte Gewinne eine höhere Rendite erzielen, als wenn die Gewinne jährlich als Dividende ausgezahlt werden. Außerdem entsteht ein Steuervorteil, da die Dividenzahlungen jährlich, Veräußerungsgewinne aber nur einmalig beim Verkauf versteuert werden müssen und der Zinseszinseffekt stärker genutzt werden kann.

Dieses kurze Beispiel sollte verdeutlichen, wieso ich immer auf mehrere harte Faktoren wie Kennzahlen aber auch weiche Kriterien wie das Geschäftsmodell schaue, um das Unternehmen zu bewerten. Später werde ich Dir im Blogeintrag 06 meine Auswahlkriterien ausführlich erklären und an einem Praxisbeispiel anschaulich darstellen.

Der Fehler, keine Fehler zu machen

Ich habe als Investor viele Fehler gemacht und dabei Geld verloren. Und es gibt einen besonders schönen Ausdruck, den ich hier verwenden möchte: Lehrgeld zahlen. Denn ich bin fest davon überzeugt, dass Fehler zu machen zum Investieren dazu gehört. Selbst der berühmte Investor Warren Buffett gibt in seinen Briefen an die Aktionäre regelmäßig zu, welche Fehler er gemacht hat und wieviel die entgangenen Gewinne die Aktionäre gekostet haben [14].

Insofern halte ich es für einen großen Fehler, keine Fehler zu machen. Fehler und falsche Entscheidungen sind zwar im ersten Moment negativ und können belasten, aber dank richtigem Umgang mit seinen Fehlern, können Fehler sich sogar langfristig als positiv herausstellen. Wer seine Fehler analysiert und festhält, was er rückblickend falsch gemacht hat, kann aus ihnen lernen und in der Zukunft stärker werden. Das Aufbauen von Vermögen und Investieren in Aktien ist eine langfristige Angelegenheit. Umso besser ist es, seine Fehler früh zu machen und aus ihnen zu lernen. Zu Beginn sind die investierten Beträge noch relativ gering, daher ist das Lehrgeld, was man zahlt um die Fehler machen zu dürfen, entsprechend überschaubar. Alles hat sein Gutes. Auch Fehler an der Börse.

Im Blogeintrag 05 thematisiere ich weitere Fehler, die Anlegern an der Börse häufig unterlaufen. Ich erkläre Dir, wieso viele Investoren einen Denkfehler haben, wann genau Verluste entstehen und warum sie anschließend mit ihnen falsch umgehen. Außerdem beschreibe ich, wieso es entgegen der allgemeinen Meinung nicht immer ratsam ist, sein Depot zu diversifizieren. Und wir gucken uns an, warum es sinnvoll ist, immer ein wenig Cash in Reserve zu haben.

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