Blog-Layout

07: Weitere Qualitätskriterien

Andy • 30. August 2020
Qualität hat bekanntlich ihren Preis – doch was macht bei Aktien die Qualität eigentlich aus?

Im Beitrag 06 habe ich erklärt, wie und wo wertvolle Informationen über ein Unternehmen gesammelt werden können. Anschließend habe ich relevante Kriterien bei der qualitativen Analyse von Unternehmen vorgestellt. Diese lassen sich auf insgesamt fünf Bereiche aufteilen, von denen Geschäftsmodell und Markt bereits erklärt wurden. Hier kannst Du Dir nochmal die Merkmale 1 bis 8 durchlesen. In diesem Beitrag geht es nun um Merkmalte betreffend Unternehmenszustand, Eigentümerstruktur und Preis.

C: Der Unternehmenszustand

Es macht einen großen Unterschied, ob Du Dir ein Auto kaufst, das bestens gepflegt wurde und einwandfrei läuft, oder aber eins, bei dem Du noch Zeit und Geld investieren musst, um es sicher ans Laufen zu kriegen – falls es überhaupt noch möglich ist. Verständlich, dass der Preis im zweiten Fall deutlich geringer ist, als im ersten.
Für den Kauf von Aktien gilt natürlich das gleiche. Mit einer Aktie gehört Dir ein kleiner Teil des Unternehmens, daher ist es sinnvoll, hinzuschauen, in welchem Zustand sich das Unternehmen befindet.

9. Kein „Turn-Around“ oder grundlegender Umbau
Nicht jedes Unternehmen wirtschaftet profitabel. Es kann sein, dass das Geschäftsmodell strukturelle Schwächen zeigt und zu Verlusten führt. Als Turn-Around werden daher Unternehmen bezeichnet, die in solche einer Situation umgebaut und zurück in die Gewinnzone gebracht werden sollen.

Meistens wird der Umbau von historisch betrachtet sehr „günstigen“ Aktienkursen begleitet, sodass Schnäppchenjäger der Versuchung nicht widerstehen können. Siehe derzeit Deutsche Bank, ThyssenKrupp oder General Electric. Doch Vorsicht: Umbauprogramme können erfolgreich sein, oder auch nicht. In jedem Falle sind sie jedoch mit hohen Ausgaben verbunden und unbekannten Risiken, da gegeben falls Teile des Unternehmens verkauft oder neue Geschäftsmodelle eröffnet werden, die vorher nicht bewertet werden konnten. Das Umbauprogramm ist zudem häufig zu optimistisch ausgelegt und erhoffte Einsparungen oder versprochene Renditen werden selten erreicht. Kurzum: Die Prognostizierbarkeit der Unternehmensentwicklung nach dem Umbau ist nicht gegeben.

10. Keine oder nur geringe Verschuldung
Die meisten Unternehmen haben Schulden. Dagegen ist an sich nichts einzuwenden, denn erstens können Zinskosten von der Steuer abgesetzt werden und zweitens ist Fremdkapital deutlich günstiger als Eigenkapital. Doch wie in der Medizin, gilt auch in der Wirtschaft: Die Dosis macht das Gift!

In diesem Sinne sollte die Verschuldung des Unternehmens sehr gering sein oder bestenfalls bei null liegen. Es ist jedoch nicht die absolute Höhe der Schulden entscheidend, sondern vielmehr ihr Verhältnis zum erzielten Gewinn. Je höher der Gewinn, desto höher kann die absolute Verschuldung sein, ohne bedrohlich zu werden. 

In einem späteren Beitrag gehen wir auf die genauen Zahlenwerte ein. Doch vorab ein Beispiel: Coca-Cola hatte beispielsweise Ende 2019 finanzielle Schulden von 31,6 MRD USD netto, also alle Schulden abzüglich eventueller Cash-Bestände. Der Nettogewinn lag bei 8,9 MRD USD, was einem Verhältnis von 3,5 zu 1 entspricht [1]. ABInBev, der größte Bierbrauer der Welt, hatte im selben Zeitraum Netto-Schulden von 103 MRD EUR bei einem Gewinn von 10,4 MRD EUR [2]. Das Verhältnis lag hier bei 9,9 zu 1 und ist somit als deutlich riskanter zu werten.

11. Angemessene Dividendenpolitik
Unternehmen tun gut daran, die erzielten Gewinne als Dividende an ihre Eigentümer, also die Aktionäre auszuzahlen. Doch die Dividende sollte in einem angemessenen Verhältnis zur wirtschaftlichen Lage stehen. So sollte beispielsweise nicht der ganze Gewinn ausgeschüttet, sondern ein Teil im Unternehmen gelassen und für Investitionen und Wachstum genutzt werden. Auch ist es enorm wichtig, dass das Management es nicht scheut, die Dividende zu kürzen oder gar zu streichen, wenn ein Verlust erzielt wurde. Der kurzfristige Verzicht auf Dividenden ist bei Aktionären zwar äußerst unbeliebt, zeichnet aber solide und konservative Unternehmen aus. Darüber hinaus kann dadurch ein zusätzliches „Ausbluten“ vermieden werden. Negativbeispiele sind der Ölkonzern BP oder Telekomriese Vodafone, die in der Vergangenheit trotz Verlusten Dividenden zahlten und so enorm hohe Schulden anhäuften. Ein Positivbeispiel ist hingegen BMW, die in den letzten 10 Jahren in etwa jeweils ein Drittel des Gewinnes an die Aktionäre auszahlten und die Dividende entsprechend kürzten, wenn der Gewinn zurückging.


D: Die Eigentümerstruktur

In der Regel hat das Unternehmen neben Dir noch viele weite Eigentümer (falls nicht, dann: Glückwunsch!). Als Privatinvestor hast Du meistens jedoch so geringe Stimmanteile, dass Du de facto das Unternehmen nicht beeinflussen kannst. Insofern ist es naheliegend zu schauen, wie die Eigentümerstruktur aussieht und was es für Dein Investment bedeuten könnte. 

12. Kein staatlicher Einfluss im Unternehmen
Der Staat ist grundsätzlich an jedem Unternehmen beteiligt: Er erhält etwa 30% des Gewinnes – und das auch ohne nur eine einzige Aktie zu halten. Denn so hoch ist in Deutschland der Steuersatz auf erzielte Gewinne. Doch neben diesen „Anteil“ bevorzuge ich Unternehmen, von denen der Staat keine Aktien besitzt. Ich versuche also Unternehmen zu meiden, die aus einer Privatisierung (Deutsche Post, Deutsche Telekom) oder staatlichen Rettung (Commerzbank, Lufthansa) hervorgingen.
Der Grund ist ziemlich simpel: Der Staat als Aktionär hat andere Interessen als andere Investoren, indem er beispielsweise möglichst viele Arbeitsplätze erhalten und damit schmerzhafte, aber notwendige Restrukturierungen verhindern möchte. Oder aber kann er aus politischen Gründen Auflagen für Preise der Waren oder Dienstleistungen machen oder sogar vorschreiben, dass das Unternehmen auch in Regionen operiert, wo es sich wirtschaftlich nicht lohnt, zu sehen am flächendeckenden Ausbau von Telekominfrastruktur in sehr dünn besiedelten Regionen.

13. Langfristig orientierter Kerninvestor
Für viele sogenannte institutionelle Investoren wie Fonds oder Versicherungen sind börsennotierte Unternehmen, bei denen die Mehrheit der Aktien auf einen oder wenige Investoren verteilt ist, uninteressant, da auf das Unternehmen gegen den Willen des Kerninvestors nicht Einfluss genommen werden kann.
Da sie ohnehin nicht mitreden können, sieht die Lage für Privatinvestoren jedoch völlig anders aus: Unternehmen, die einen starken, und langfristig orientierten Investor haben, laufen nicht Gefahr kurzfristigen Wünschen von Aktionären wie etwa einer hohen Dividende oder dem Verkauf von Unternehmensteilen nachzugeben, und dadurch langfristige Ziele zu vernachlässigen. Auch stehen sie am Finanzmarkt unter dem Schutz des Investors gegenüber Attacken feindlicher Unternehmen stabiler und widerstandsfähiger dar.
Kerninvestoren können Manager oder Gründer des Unternehmens sowie deren Familienmitglieder oder Erben sein. Bekannte Beispiele sind Alphabet, BMW, Berkshire Hathaway, Microsoft oder etwa Heineken.

14. Keine oder geringe Anteile Dritter
Grundsätzlich ist der Gewinn nach Steuern derjenige, der den Eigentümern des Unternehmens zusteht und ausgezahlt werden kann. Doch je nach Art und Struktur des Eigenkapitals, kann es sein, dass Teile dieses Gewinnes zunächst an Dritte ausgezahlt werden müssen. Für Aktionäre bedeutet es, dass sie sich mit dem sogenannten „Gewinn nach Anteilen Dritter“ zufrieden stellen müssen, der dem geläufigen Gewinn pro Aktie entspricht. Der Anteil Dritter kann ein bestimmter Prozentsatz des Nettogewinns oder ein aber absoluter Betrag sein. Je nach Gewinnentwicklung, kann jeweils das eine oder andere vorteilhafter die übrigen Aktionäre sein. In jedem Falle bevorzuge ich es jedoch, wenn Gewinne an Dritte erst gar nicht ausgezahlt werden müssen.

E: Der Preis

Das letzte Merkmal qualitativ hochwertiger Unternehmen ist: ihr Preis. Es mag verwundern, doch sollte es nicht immer Ziel des Investors sein, möglichst günstig bewertete Unternehmen zu kaufen.

15. Der angemessene Preis
Von Warren Buffett stammte der berühmte Satz „It's far better to buy a wonderful company at a fair price than a fair company at a wonderful price”. Investitionen in Aktien von günstigen, aber durchschnittlichen Unternehmen rentieren sich langfristig also weniger, als der Kauf von tollen, jedoch angemessen bewerteten Unternehmen. Denn diese können ihr Geschäftsmodell oder die besondere Markstellung nutzen, um über Jahrzehnte zu wachsen und höhere Gewinne zu erwirtschaften. Während durchschnittliche Unternehmen aufgrund ihrer durchschnittlichen Performance immer mit einem Abschlag auf ihre Bewertung, vor allem hinsichtlich KGV oder Buchwert, gehandelt werden.

Der günstige Preis einer Aktie sollte daher nicht zum Kauf verleiten, sondern angemessen sein und die Güte des Unternehmens repräsentieren. Hierzu ist außerdem die Betrachtung quantitativer Kennzahlen notwendig, die ich Euch in den nächsten Beiträgen vorstellen werde.

Das Praxisbeispiel

Nachdem nun alle Kriterien der qualitativen Analyse vorgestellt wurden, demonstriere ich diese in dem nächsten Beitrag am Beispiel eines realen Unternehmens. Zur Auswahl stehen Coca-Cola (größter Getränkehersteller), Alphabet (Google-Mutter und größte Suchmaschine) oder Inditex (Zara-Mutter und größter Bekleidungshändler). Stimme im Kommentarfeld oder per Nachricht auf der Kontaktseite ab, was Dich am meisten interessiert!

Das Quellenverzeichnis zu diesem Eintrag findest Du hier.

von Andreas Gomer 29. August 2023
Auswahl und Bewertung von Unternehmen nach dem Best In Class Prinzip - erklärt an einem Praxisbeispiel.
von Andreas Gomer 21. Januar 2023
Das Jahr 2022 hat Investoren wenig Freude bereitet, denn die Kurse für Aktien und Anleihen gingen rund um die Welt steil nach unten. Doch warum eigentlich? Und was bedeutet es für die Zukunft?
von Andy 6. Februar 2022
Mit ETF kann kostengünstig in Aktien investiert und langfristig eine hohe Rendite erzielt werden. Doch erscheint die Auswahl des richtigen ETF als schwierig – zu Unrecht!
Weitere Beiträge
Share by: