In dieser vierteiligen Serie analysiere ich Alphabet, den Mutter-Konzern von Google sowie vielen weiteren Unternehmen. In
Teil 1
wurde das Geschäftsmodell vorgestellt und beschrieben, auf welchen Bereichen Alphabet aktiv ist. Dabei zeigte sich, dass Google der mit Abstand wichtigste Part im Konzern ist. In
Teil 2
wurde daher erklärt, womit Google eigentlich sein Geld verdient und wieso es dabei so dominant ist. In
Teil 3
wurde es Zeit für harte Fakten: Ein Blick auf die Bilanzen und Geschäftsberichte von Alphabet sowie dessen Wettbewerbern Apple und Microsoft ergab höchst interessante Erkenntnisse. Nicht nur konnte Alphabet in den letzten 10 Jahren deutlich schneller und profitabler wachsen als Apple oder Microsoft, es brauchte hierfür nicht einmal Schulden!
Wie ich schon angedeutet habe, verfügt Alphabet über einige Besonderheiten, die dieses Unternehmen massiv von dem Wettbewerb unterscheiden. Alphabet ist in vielerlei Hinsicht kein normales Unternehmen - so wie es selbst die Gründer beschreiben
- und es hat nicht vor, eins zu werden. Warum es auch für die Aktionäre von Vorteil sein kann, stelle ich in diesem letzten Teil der Analyse vor.
Grund 1: Netto-Cash
Wie vorhin bereits beschrieben, weist Alphabet eine extrem hohe Eigenkapitalquote von über 70% aus. Microsoft kommt etwa auf 40% und Apple sogar nur auf ca. 20% [2,4,16,17]. Ein Blick auf die Eigenkapitalquoten legt daher bereits schon nahe, dass die Verschuldung von Alphabet sehr gering sein muss:
Um ebendiese Netto-Verschuldung zu berechnen, werden vom bilanzierten Fremdkapital eines Unternehmens dessen Cash-Bestände abgezogen. Gedanklich wird also Cash genommen und damit alle Verbindlichkeiten wie beispielsweise finanzielle Schulden, offene Steuern, Lieferantenkredite oder Rückstellungen beglichen. Bleiben am Ende noch Verbindlichkeiten übrig, handelt es sich um sogenannte Netto-Verschuldung. Ist mehr Geld als Schulden vorhanden, besitzt das Unternehmen Netto-Vermögen oder auch Netto-Cash genannt.
Das nachfolgende Diagramm zeigt den Verlauf der Netto-Verschuldung von Apple, Alphabet und Microsoft über die letzten 10 Jahre. Im Geschäftsjahr 2020 hatten Apple und Microsoft Netto-Schulden von 66,7 bzw. 46,5 MRD USD [16,17]. Alphabet hingegen hat Netto-Schulden von – 46,3 MRD USD [2,4]. Minus, wohlgemerkt. Was bedeutet, dass Alphabet nach Abzug aller
Verbindlichkeiten noch mehr als 46 Milliarden Cash übrig
haben würde.
Um es deutlich zu formulieren: Alphabet hat so viel Cash, dass es damit locker alle seine Schulden zurückzahlen könnte, ohne dabei den Geschäftsbetrieb zu beeinträchtigen. Derzeit liegt das Geld jedoch mehr oder weniger ungenutzt rum. Die damit erzielten Renditen sind gering und tragen folglich unterdurchschnittlich zur Gesamtrendite des Unternehmens bei.
Kommt die 150 Milliarden Dollar Dividende?
Es wäre also denkbar, dass sich Alphabet entscheidet, seine riesigen Finanzpolster abzuschmelzen und sinnvoller zu nutzen. Aktuell ist die Eigenkapitalquote mit ca. 71% deutlich höher als bei Microsoft mit 39% oder Apple mit 20% [2,4,16,17]. Alphabet könnte daher ohne Probleme seine Eigenkapitalquote um 50 Prozentpunkte
senken, um diese auf vergleichbares Niveau mit Apple zu bringen. Würde also die Eigenkapitalquote auf 20% gesenkt, hätte Alphabet rechnerisch etwa 150 MRD USD [2,4], die es an seine Aktionäre verteilen könnte. Das würde in etwa 220 Dollar bzw. 185 Euro pro Aktie entsprechen [2,4]. Dies kann in Form von Dividenden oder aber einem riesigen
Aktienrückkaufprogramm geschehen.
Ähnliches hat Apple seit 2013 ebenfalls gemacht, wie es am Diagramm ersichtlich wird: Damals hatte es ein Netto-Vermögen von ca. 63 MRD USD. In den folgenden Jahren wurde jedoch unterm Strich mehr Geld ausgegeben als eingenommen, sodass das Vermögen nach und nach gezielt abgeschmolzen wurde. Zudem wurden neue Schulden aufgenommen und so Eigenkapitalquote gesenkt. Mit diesem Geld wurden eigene Aktien zurückgekauft und Dividenden an die Aktionäre gezahlt. Das hat dazu beigetragen, wieso sich die Apple-Aktie in den letzten Jahren so gut entwickelte: Denn je weniger Aktien eines Unternehmens ausstehen, desto höher ist rechnerisch der Anteil am Unternehmen jeder einzelnen Aktie – und damit ihr Wert.
Alphabet könnte also das Gleiche tun und aggressiv eigene Aktien zurückkaufen. Ein erstes Indiz, dass das gerade jetzt passiert, offenbarte der aktuelle Geschäftsbericht: So wurden allein in den ersten 9 Monaten dieses Jahres rund 9,2% aller ausstehenden Aktien von Alphabet zurückgekauft [4].
Wie dem auch sei: Höchstwahrscheinlich wird Alphabet keine 150 Milliarden an seine Aktionäre auf einmal auszahlen. Allerdings ist die finanzielle Lage derzeit so attraktiv und solide, dass das Unternehmen mittelfristig das Geld in irgendeiner Weise verwenden muss. Ich persönlich gehe davon aus, dass die Aktienrückkäufe über die nächsten Jahre gestreckt werden und so den Aktienkurs stützen.
Grund 2: Aktienklassen und Eigentümerstruktur
Alphabet hat drei Klassen von Aktien: Klasse A und C sind als einzige an der Börse notiert, während die Klasse B Aktien nicht gehandelt werden. Klasse C Aktien haben kein Stimmrecht, sondern stellen nur eine reine Kapitalbeteiligung dar, vergleichbar mit der deutschen Vorzugsaktie [2]. Eine Klasse A Aktie hat genau ein Stimmrecht, was der „normalen“ deutschen Stammaktie entspricht. Klasse B hingegen ist die Rakete unter den Alphabet Aktien: Eine Klasse B Aktie bündelt 10 Stimmrechte auf sich [2].
Alle Klasse B Aktien liegen bei den beiden Firmengründern Larry Page und Sergey Brin oder ihren engsten Vertrauten. Allein die beiden Gründer haben Ende 2019 über 51,2% aller
Stimmrechte auf sich gebündelt [2]. Sie haben daher gemeinsam die vollständige Kontrolle über Alphabet. Ziemlich beeindruckend, dass genau zwei Personen genug Einfluss haben, ein Unternehmen mit einem Börsenwert von derzeit einer Billion Euro nach ihren Wünschen zu kontrollieren. Eine Billion
– das sind eintausend Milliarden
Euro.
Ich persönlich finde es immer begrüßenswert, wenn Unternehmen eine starken Kernaktionär haben, wie etwa Familienangehörige oder im Idealfall die Firmengründer selbst. Denn Kernaktionäre halten an der Strategie des Unternehmens fest und gehen mit diesem auch durch stürmische Zeiten, ohne von ihrer Vision abzuweichen. Insofern können sich solche Unternehmen ideal für langfristig orientierte Investoren eignen. Professionelle Investoren wie Fonds oder Hedge-Fonds könnten damit jedoch Probleme haben, da sie nur einen geringen Einfluss im Unternehmen geltend machen und nicht über dessen Entscheidungen mitbestimmen können. Daher sind Unternehmen mit starken Kerninvestoren für Fonds häufig uninteressant. Für Privatinvestoren erübrigt sich in der Regel der Wunsch nach Kontrolle: Die wenigsten verfügen über genügend Kapital, um einen kontrollierenden Einfluss auf das Unternehmen auszuwirken.
Grund 3: Warren Buffett und Berkshire Hathaway als Vorbild
In der Öffentlichkeit ist wenig bekannt, dass die Gründer von Google Larry Page und Sergey Brin eine inspirierende Beziehung zu dem legendären Investor Warren Buffett haben: Bei einem Treffen vor mehr als 10 Jahren erklärte Buffett den beiden das Erfolgsrezept seiner Berkshire Hathaway: Unter dem Dach der Berkshire Hathaway Holding
werden viele verschiedene Unternehmen gebündelt. Jedes dieser Unternehmen wirtschaftet jedoch vollkommen eigenständig und eigenverantwortlich. Es wird geführt von kompetenten Geschäftsführern, die viel Vertrauen genießen und über weitreichende Autonomie für ihr Handeln verfügen. Sie bekommen keine Vorgaben, wie sie ihr Geschäft zu führen haben, sondern lediglich die Auflage, zu denken als wären sie der alleinige Eigentümer
des Unternehmens das sie leiten und dürften dieses in den nächsten 50 Jahren nicht verkaufen oder fusionieren.
Diese Struktur bietet enorme Vorteile: Die Unternehmen können unabhängig wirtschaften und sich bestmöglich entwickeln. Für die Holding reduziert sich zugleich der Kontrollaufwand massiv: Bei Berkshire Hathaway reichen weniger als 30 Mitarbeiter aus, um dutzende Unternehmen mit insgesamt ca. 370.000 Mitarbeitern zu beaufsichtigen. Gleichzeitig kann der Vorstand der Holding seine Zeit für wichtigere Überlegungen nutzen und visionäre oder strategische Entscheidungen treffen. Die Grundlage für ein langfristiges und enorm skalierbares
Geschäftsmodell ist geschaffen.
Nach ihrem Treffen mit Warren Buffett und seinen Erklärungen, waren Larry Page und Sergey Brin von der Einfachheit und dem Erfolg des Systems derart begeistert, dass sie sich entschlossen, Google ebenfalls in eine Holding zu überführen. Sie erschufen das heutige Alphabet Holding – ganz nach dem Vorbild von Berkshire Hathaway [18].
Aktuelle Bewertung der Aktie
Die spannende Frage lautet nun: Lohnt sich der Kauf der Alphabet Aktie? Die Antwort ist ein ganz klares: Vielleicht!
Denn zum einen ist das Geschäftsmodell fundamental intakt und das Unternehmen extrem solide aufgestellt. Umsatz und Gewinne wachsen, die Rentabilität ist hoch. Gleichzeitig sind die finanziellen Reserven so groß, dass Krisen gut überstanden werden können. Die Wahrscheinlichkeit für Aktienrückkäufe oder üppige Dividenden ist verlockend und damit ein klares Pro-Argument für Langfristinvestoren.
Es sollte jedoch klar sein, dass alle diese Faktoren letztlich den Preis der Aktie wiederspiegeln. Und der ist hoch.
Sowohl die Klasse A als auch Klasse C Aktie kosten jeweils knapp 1500 Euro. Daraus berechnet sich ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von über 30, was als teuer empfunden werden darf. Gleichzeitig ist die aktuelle Marktlage jedoch so, dass auch andere Aktien ziemlich hoch gehandelt werden. In Relation zu Apple und Microsoft kommt Alphabet sogar noch günstig daher, wie das nachfolgende Diagramm zeigt [2,4,16,17].